Zum zweiten Mal trafen sich einige Darmstädter Schiedsrichter, um mit einer kleinen Wanderung und mit anschließendem gemütlichem Beisammensein die neue
Saison zu eröffnen. Wieder war das Böllenfalltor im Nordosten Darmstadts der Treffpunkt. Oder sollte man besser sagen "im Nordosten Bessungens"? Schließlich
ist Bessungen erst 1888 mit der Residenzstadt zusammengewachsen. Und die Lappings, wie die Bessunger noch heute genannt werden, sind durchaus stolz auf ihre
lange Eigenständigkeit. Ein Lapping, das sei für die nicht Einheimischen gesagt, ist ein Wildkaninchen, das Wappentier Bessungens, das der Legende nach
Landgraf Georg I. um 1570 dort ansiedeln wollte. Bis 2006 wohlgemerkt, nicht bis 1606, hing bei der Bessunger Kerb denn auch ein toter Hase am Kerbebaum,
bevor er durch ein Plüschtier ersetzt wurde. Und das "Böllen" im Böllenfalltor hat mitnichten etwas mit lautmalerischem Schlachtenlärm rund um die
Eingemeindung zu tun, sondern kommt schlicht und ergreifend von "Böllen" oder "Bellen" - gemeint waren damit Pappeln, die es vor vielen Jahren dort am
Eingang zum landgräflichen Wildpark gegeben haben muss.
Das war die erste lehrreiche Information, die Ossi Klein zusammengetragen hatte, um seinen Kollegen einen informativen Rundgang durch ihre Heimat zu bieten.
Der Herrgottsberg als letzter Ausläufer des vorderen Odenwalds war das erste Etappenziel, während Bessungen selbst schon in der Rheinischen Tiefebene liegt.
Hier hat um 1535 eine Kapelle gestanden, deren Umriss heute noch durch in den Boden eingelassene Steine sichtbar ist. Bis heute werden am Altarstein
Waldgottesdienste gehalten.
Von dort ging's bergab zu Goetheteich und Goethefelsen, wo - auf einer Gedenktafel verewigt - Johann Wolfgang von Goethe persönlich sich mit Freunden
getroffen haben soll. Auf dem Goetheteich, der vom Herrgottsbergbach gespeist wird, schwimmt ein kleines Hausboot - das erste Exponat einer ganzen Reihe
entlang des sogenannten Waldkunstpfades, der vor einigen Jahren von mehreren Künstlern angelegt worden war, und dem die Wanderer jetzt folgten - vorbei am
kunstvoll zusammengenagelten "Forest House" und einer aus Sperrmüll zusammengesetzten übermannsgroßen Kugel.
Schon war der Ortsrand erreicht und die Schiedsrichter fanden sich nach kurzer Wegstrecke entlang des Saubachgrabens, dem ehemaligen Forellenteich, der aus
dem Herrgottsbergbach hervorgeht, und der in die Bessunger Kiesgrube mündet, am Marienkrankenhaus wieder. Dieses ist seit geraumer Zeit immer wieder in der
Tagespresse, weil - wohl durch die Ansiedlung von Ärztehäusern - ein zunehmender Bedarf an Parkplätzen besteht, in die die ansässigen Marienschwestern allzu
gerne die angrenzenden idyllischen Kleingärten verwandelt sähen.
Wenige Meter weiter, dort, wo der Lossenweg auf die Klappacher Straße trifft, stellte Ossi Klein die Gedenkstätte für das Dorf Klappach vor, das der Straße
ihren Namen gab: Aufgrund von Ausgrabungen geht man heute davon aus, dass eine erste Ansiedlung hier schon im dritten oder vierten Jahrhundert bestand, die
erste urkundliche Erwähnung ist auf das Jahr 1289 datiert. Dieses Dorf ist damit noch älter als Bessungen, das zwar älter als Darmstadt ist und bereits 1002
urkundlich erwähnt ist. Aber aufgrund von Ausgrabungen geht man von einer Gründung im vierten oder fünften Jahrhundert aus.
Entlang der Klappacher Straße, die tief nach Bessungen hereinführt, wurde schließlich der Orangerie-Garten erreicht, der in den Jahren 1719 bis 1721
erstellt worden war. Früher hieß er auch - quasi als Gegenstück zum Darmstädter Herrngarten - "Bessunger Herrngarten", woher auch der Straßenname
Herrngartenstraße stammt, die an der Orangerie liegt. Die symmetrische Gartenanlage - es fehlt nur das ursprünglich vorgesehene zweite Gebäude - mit ihren
Orangenbäumen und Palmen, die im Winter eingelagert werden, bietet nicht nur vielen Bessungern einen Augenschmaus und Gelegenheit zur Erholung.
Von dort ist es nur ein kurzer Weg vorbei am ehemaligen Henkerhäuschen des Scharfrichters Schönbein, der Mitte des 18. Jahrhunderts verschiedene
Unglückliche aufknüpfte und köpfte, zur zweiten wundervollen Gartenanlage Bessungens, dem Prinz-Emils-Garten. Kernstücke sind das 1772 erbaute und 1950
wieder errichtete Palais - das sogenannte Prinz-Emils-Schlösschen - das eine Sammlung von Papiertheatern enthält und der Teich, der erst 1987/88 wieder
hergestellt wurde.
Damit befanden sich die Schiedsrichter längst im Kern Bessungens, nur noch ein Katzensprung über die Heidelberger Straße und schon war das Ziel dieser in
jeder Hinsicht gelungenen Wanderung erreicht: Das Restaurant Thessaloniki, einer unserer Inserenten im SR-Journal. Dort konnten sich die Wanderer bei einem
hervorragenden Speisenangebot stärken und den Abend gemütlich ausklingen lassen, bevor jeder individuell seinen Heimweg antreten konnte - nicht ohne, dass
neue Ideen geboren wurden: "Mal eine echte Rundwanderung machen" war die eine, "Warum machen wir nicht mal eine Winterwanderung?" war die andere. Warum nicht?